Panel 7

Postmigrantische Literaturdidaktik als partizipativ-paritätischer Beitrag zur Demokratiebildung

Moderator:in: Nazli Hodaie (PH Schwäbisch Gmünd)

Die Vielfalt migrationsgesellschaftlicher Lebensentwürfe verlangt eine Aufgabe des hegemonialen Diskurses (manifestiert u.a. in der Idee der „Leitkultur“), wofür Paradigmen, Möglichkeiten und Räume vonnöten sind, die ein paritätisches und partizipatives Sprechen über das „Wir und das Nicht-Wir“, „das Eigene und das GeAnderte“ ermöglichen. Mit ihrem Hauptanliegen, auch und v.a. die Stimmen der migrantisch Gelesenen vernehmbar zu machen, ist die postmigrantische Perspektive (Yildiz 2018; Foroutan 2019) ein zentrales Moment von Demokratiebildung in der Migrationsgesellschaft. Denn das Ideal der Herrschaftsform einer postmigrantischen Gesellschaft mit einem neuen Blick auf Migration löst das „Versprechen des Grundgesetzes“ (Foroutan 2019) zur Gleichbehandlung aller Bürger_innen ein – wobei festzustellen ist, dass dieser Anspruch gerade nicht eingelöst ist. Demokratiebildung in postmigrantischer Perspektive bedeutet somit eine fundamentale Kritik der hegemonialen Repräsentation, die als normabweichend und somit inferior positionierte Migrationsandere hervorbringt. Die Aufgabe von Demokratiebildung in postmigrantischer Perspektive besteht somit darin, diesen hegemonialen Blick bewusst zu machen, zu reflektieren und idealerweise auch zu „verlernen“ (Spivak 1993).

Für die Literaturdidaktik mit ihren vielfältigen Möglichkeiten, zur Demokratiebildung beizutragen, hat diese Perspektive Konsequenzen. Berücksichtigt man den zentralen Stellenwert der Literaturdidaktik bei Individuation, Sozialisation und Enkulturation, stellt sich die Frage, inwiefern literaturdidaktische Vorgänge mit Blick auf Sprache, Kultur, Identität, Zugehörigkeit etc. hegemoniale Perspektiven reproduzieren oder diese dekonstruieren; ob hierbei ein „Sprechen über GeAnderte“ oder ein „Bewusstmachung der Prozesse der Anderung“ überhandnimmt und in diesem Rahmen auch die Frage, wessen Stimme gültig gesetzt, wessen Deutung(shoheit) legitimiert wird.

Aus dieser Warte heraus setzt sich das Panel zum Ziel, literaturdidaktische Themen- und Tätigkeitsfelder einer postmigrantisch perspektivierten Prüfung zu unterziehen. Basierend auf dem einführenden Panel am SDD 2022 in Wien nimmt sich dieses aus drei Vorträgen bestehende Panel nun vor, das Augenmerk konkret auf autorisierte und legitimierte Gegenstände und Medien des Literaturunterrichts zu legen : Schulbuch (Vortrag 1: Hodaie) und Kanon – wobei die Auseinandersetzung mit dem Kanon einerseits analytisch-kritische Perspektiven auf etablierte kanonische Texte beinhaltet (Vortrag 2: Hofmann) und andererseits Möglichkeiten einer postmigrantischen Kanonerweiterung aufzeigt. An dieser Stelle wird zudem das zentrale textanalytische Instrument „Figurenanalyse“ postmigrantisch perspektiviert, indem Möglichkeiten aufgezeigt werden, wie Figurenanalyse mit einem hegemoniekritischen und intersektionalen Fokus in den Unterricht integriert werden kann (Vortrag 3: Kofer).


Programm

Vortrag 1: Nazli Hodaie (Pädagogische Hochschule Schwäbisch Gmünd)
Schulbuchanalysen und Schulbuchkritik in postmigrantischer Perspektive
Vortrag 2: Michael Hofmann (Universität Paderborn)
Kritische Kanonanalysen in postmigrantischer und demokratietheoretischer Perspektive: Universalismus und Exklusion in Texten der Weimarer Klassik/Goethes
Vortrag 3: Martina Kofer (Universität Potsdam)
Hegemoniekritische (intersektionale) Figurenanalyse als Beitrag eines postmigrantisch orientierten Literaturunterrichts

Hier erhalten Sie die Abstracts zu den Vorträgen
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